Alemannen

Alemannen
Alemạnnen
 
Plural, Alamạnnen, westgermanischer Stamm, hervorgegangen aus elbgermanischen Bevölkerungsgruppen, die seit dem 1. Jahrhundert in Mainfranken ansässig waren, und aus verschiedenen, später nach Südwestdeutschland zugewanderten Heerhaufen und Gefolgschaften, deren Heimat vorwiegend in Mecklenburg, im Mittelelbe- und im Saalegebiet lag (Sweben). Der sich bildende Neustamm der Alemannen war seit dem 2./3. Jahrhundert im Vorfeld des Limes sesshaft (erste Erwähnung 213). Wiederholte Vorstöße (233 ff.) führten schließlich zum Fall des Limes (260) und zur Besiedlung des Dekumatlandes. Archäologische Funde bezeugen auch während des 4.-5. Jahrhunderts noch weiteren Zuzug aus Mitteldeutschland und Böhmen. In der Frühphase (3.-4. Jahrhundert) setzten sich viele Alemannen in oder bei den Ruinen römischer Kastelle und Villen fest. Neue, zum Teil umwehrte Dörfer im Dekumatland (Sontheim, bei Heidenheim an der Brenz) sind bisher nur wenig bekannt. Gleichzeitig entstanden in Nachahmung spätantiker befestigter Städte zahlreiche Höhenburgen (Glauberg, Runder Berg), die als politische und wirtschaftliche Zentren ihres Umlands ständig besiedelt waren. Sie gelten als Sitze von Kleinkönigen und Fürsten, die über die noch im 4. Jahrhundert bezeugten Teilstämme der Alemannen (u. a. Bukinobanten, Brisigavi, Lentienser, Juthungen) herrschten. Diese gehörten zu den gefürchtetsten Feinden des Römischen Reiches. Besonders zwischen 351 und 368 überfielen sie, mehrfach Rhein und Donau überschreitend, die Ostprovinz Galliens und Raetien.
 
Ab 378 herrschte weitgehend Ruhe an der römisch-alemannischen Grenze. Seitdem dienten Alemannen vermehrt als Söldner in der römischen Armee (Foederaten). Im Zuge der Konsolidierung des Stammes wurden in der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts neue Siedlungen mit Reihengräberfriedhöfen angelegt, die vielfach bis ins 6./7. Jahrhundert reichten. Das damals entstandene Siedlungsbild prägte die Landschaft bis ins hohe Mittelalter Expansionsbestrebungen nach Nordwesten endeten mit den Niederlagen gegen Chlodwig I. (496, 506), wobei die Alemannen ihre nördliche Gaue verloren. Die Fürstenburgen fanden damals ihr Ende.
 
Erst jetzt dehnten sich die Alemannen bis ins Elsass und in die Nordschweiz aus. Die durch reiche Beigaben hervorragenden Fürstengräber der Zeit um 500 (Rüdern, Mahlberg) fanden keine direkte Fortsetzung. Erst um 600 wird eine neue, wohl vom fränkischen König privilegierte Adelsschicht durch reiche, einzeln liegende Gräber fassbar (Ittenheim, Niederstotzingen, Wittislingen, Zofingen), die zum Teil in Eigenkirchen lagen. Während dieser Zeit werden kulturelle Einflüsse aus Skandinavien, dem Langobardenreich (Goldblattkreuze) und dem fränkischen Westen (u. a. christliche Mission seit dem Ende des 6. Jahrhunderts) deutlich. Die vom fränkischen König im 6. Jahrhundert eingesetzten Amtsherzöge erlangten im 7. Jahrhundert eine gewisse Selbstständigkeit, wurden aber von Karl Martell 746 beseitigt. Das jüngere Stammesherzogtum Schwaben, seit dem 10. Jahrhundert, knüpft an andere Machtgrundlagen an. Nach dem Untergang der letzten Herzöge, der Staufer, löste sich das Herzogtum in eine Vielzahl von Territorien auf.
 
 
Alemannen und Schwaben bilden ihrer Volkskultur nach eine Einheit. Erst Anfang des 19. Jahrhunderts wurde die Bezeichnung Alemannen besonders für die badischen Schwaben populär. Kennzeichnend für das Kulturgebiet ist die alemannische Fastnacht (»Fasnet«) mit ihren vielgestaltigen (Holz-)Masken (z. B. in Rottweil).
 
Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie v. a. auch in den folgenden Artikeln:
 
Deutsche · deutsche Mundarten · Elsass · Germanen · Schwaben · Schweiz · Sweben · Völkerwanderung
 
 
Elard Hugo Meyer: Bad. Volksleben im 19. Jh. (1900, Nachdr. 1984);
 W. Veeck: Die A. in Württemberg, 2 Bde. (1931);
 R. Roeren in: Jb. des Röm.-German. Zentralmuseums Mainz, Jg. 7 (1960);
 K. Weidemann, in: ebd., Jg. 19 (1972);
 H. Büttner: Schwaben u. Schweiz im frühen und hohen MA. (1972);
 
Die A. in der Frühzeit, hg. v. W. Hübener (1974);
 
Zur Gesch. der A., hg. v. Wolfgang Müller (1975);
 
Grundfragen der alemann. Gesch. (41976);
 H. Keller in: Ztschr. für die Gesch. des Oberrheins, Jg. 124 (1976); H. Keller: in: ebd., Jg. 129 (1981); Quellen zur Gesch. der Alamannen, hg. v. der Heidelberger Akademie der Wiss., 6 Tle. (1976-84);
 R. Christlein: Die Alamannen. Archäologie eines lebendigen Volkes (1978);
 W. Hartung: Süd-Dtl. in der frühen Merowingerzeit (1983);
 P. Assion u. R. W. Brednich: Bauen u. Wohnen im dt. Südwesten (1984);
 S. Junghans: Sweben, Alamannen u. Rom. Die Anfänge schwäbisch-alemann. Gesch. (1986).

Universal-Lexikon. 2012.

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